In einem neuen Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Asyl- und Migrationspolitik hat der österreichische EU-Migrationskommissar Magnus Brunner einen Vorschlag zur Beschleunigung und Vereinfachung von Abschiebungen präsentiert. Der Entwurf wurde am Dienstag in Straßburg vorgestellt, doch Experten äußerten Bedenken hinsichtlich seiner Umsetzbarkeit. Der Gesetzesvorschlag soll künftig eine schnellere und häufigere Durchführung von Rückführungen ermöglichen, doch die Umsetzung wird durch fehlende Partnerstaaten und politische Herausforderungen erschwert.
Ziel des Gesetzes: Häufigere Rückführungen und schnellere Abschiebungen
Die EU-Kommission verfolgt mit diesem Gesetzesentwurf das Ziel, Rückführungen in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union effektiver zu gestalten. Der Vorschlag umfasst unter anderem strengere Abschieberegeln, die gegenseitige Anerkennung von Rückkehrentscheidungen und die Möglichkeit, Rückkehrzentren außerhalb der EU einzurichten. Brunner betonte, dass dies der „noch fehlende Teil nach dem Asyl- und Migrationspakt“ sei, der zur Verbesserung des Asylverfahrens beitragen soll.
„Jede Kommission und jedes Mitgliedsland hatte in den letzten Jahren das Ziel, Rückführungen schneller und effektiver umzusetzen“, erklärte die Migrationsexpertin Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuniversität Wien. Kohlenberger fügte hinzu, dass das zentrale Problem jedoch in der praktischen Umsetzung liege. „Es geht nicht nur darum, neue Regeln zu erlassen, sondern die Zusammenarbeit mit Herkunftsländern sowie Drittstaaten für Rückführzentren sicherzustellen“, so Kohlenberger.
Große Herausforderung bei der Umsetzung: Kooperation mit Drittstaaten
Der Entwurf sieht vor, dass Abschiebebescheide eines EU-Landes künftig auch in allen anderen Mitgliedsstaaten automatisch anerkannt werden sollen. Dies soll die Rückführungen vereinfachen und beschleunigen. Kohlenberger hob hervor, dass dies eine „härtere Handhabung“ von Rückführungen und Abschiebungen darstellt, die in einem neuen Europäischen Rückführbefehl münden soll, der im Schengener Informationssystem (SIS) hinterlegt wird.
Gleichzeitig ist es vorgesehen, dass abgelehnte Asylbewerber aktiv an ihrer Rückführung mitwirken müssen. Wer dieser Verpflichtung nicht nachkommt, könnte mit Sanktionen wie der Streichung von Sozialleistungen oder der Beschlagnahme von Reisedokumenten rechnen. Zudem sollen Personen, bei denen Fluchtgefahr besteht, länger in Haft bleiben können.
Die Frage, wie diese Regeln in der Praxis durchgesetzt werden sollen, bleibt jedoch unklar. „Die Schwierigkeit liegt darin, dass man Drittstaaten finden muss, die bereit sind, Menschen, auch nur vorübergehend, aufzunehmen“, sagte Kohlenberger. Der Entwurf sieht vor, dass Rückkehrzentren außerhalb der EU eingerichtet werden, um abgelehnte Asylbewerber unterzubringen. Doch Kohlenberger ist skeptisch, ob solche Abkommen zustande kommen. „Es gibt keine Partnerstaaten, die wirklich dazu bereit sind“, so die Expertin.
Kontroversen um „Return Hubs“ und internationale Kooperation
Im Gesetzesentwurf ist auch die Möglichkeit vorgesehen, sogenannte „Return Hubs“ außerhalb der EU zu schaffen. Diese Rückkehrzentren sollen abgelehnten Asylbewerbern helfen, in ihr Heimatland zurückzukehren. Der Entwurf sieht vor, dass Abkommen mit Drittstaaten geschlossen werden, die international anerkannte Menschenrechtsstandards respektieren.
Brunner und die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Henna Virkkunen, betonten bei der Präsentation in Straßburg, dass diese Rückkehrzentren nicht mit den umstrittenen Asyllagern in Albanien verglichen werden sollen. Doch Kohlenberger warnte, dass diese Maßnahmen lediglich das Problem verlagern würden. „Die EU macht sich erpressbar, indem sie Drittstaaten in eine Position versetzt, in der sie die EU bei der Migrationspolitik unter Druck setzen können“, so Kohlenberger. Sie fügte hinzu, dass dies die „Instrumentalisierung von Migration“ fördern könnte.
Kritik von NGOs und Menschenrechtsorganisationen
Der Gesetzesentwurf stieß auf scharfe Kritik von verschiedenen NGOs und Menschenrechtsorganisationen. Silvia Carta vom NGO-Netzwerk PICUM bezeichnete die Vorschläge als „klaren Versuch, die Abschiebungsbesessenheit der EU zu eskalieren“. Sarah Chander von der NGO Equinox Initiative for Racial Justice kritisierte die Erweiterung des „Abschieberegimes“ und warnte vor den negativen Auswirkungen auf die betroffenen Menschen.
„Was wir brauchen, ist eine sichere Durchreise für Migranten, nicht einen weiteren gewaltsamen Versuch, ihnen ihre Rechte vorzuenthalten“, sagte Giulia Messmer von der Hilfsorganisation Sea-Watch. Auch die EU-Grundrechteagentur (FRA) hatte bereits vor den „Return Hubs“ gewarnt und betont, dass diese nicht zu rechtsfreien Zonen werden dürften.
Politische Debatten und mögliche Anpassungen
Der Gesetzesentwurf ist noch nicht in Kraft, da er der Zustimmung des EU-Parlaments und des Rates der Mitgliedsstaaten bedarf. Kohlenberger sieht die Maßnahmen als Reaktion auf nationale Alleingänge in der Asylpolitik und vermutet, dass die EU-Kommission mit den neuen Regelungen die „Handlungsmacht“ wieder stärker in ihre eigenen Hände legen möchte. Ob die geplanten Änderungen jedoch die gewünschten Effekte erzielen können, bleibt abzuwarten.
Die Diskussion um die Umsetzung der Rückführungen und die Schaffung von Rückkehrzentren wird in den kommenden Monaten weitergehen. Angesichts der politischen Sensibilität und der Bedenken von Menschenrechtsorganisationen könnte der Gesetzesentwurf noch modifiziert werden, bevor er endgültig verabschiedet wird.